Erforschung der Insektenwelt auf dem begrünten Dach des Müritzeums in Waren – ein Gemeinschaftsprojekt des Müritzeums, des Entomologischen Vereins Mecklenburg e.V. und der Warener Fachgruppe Botanik „Carl Struck“ des NABU-Regionalverbandes Müritz
In Deutschland werden immer mehr Flächen bebaut. Das Umweltbundesamt (UBA 2022) schätzt ein, dass die tägliche Umwidmung von unbebautem Boden in Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland bei 56 Hektar liegt. Rund 45 Prozent davon werden versiegelt. Diese Entwicklung führt vielfach zum zunehmenden Verlust von Grünflächen in den Städten und Gemeinden. Besonders unter dem Aspekt des Klimawandels hat das in vielen Bereichen v.a.
- eine Einschränkung des Rückhaltepotenzials für Regenwasser,
- die Senkung des Grundwasserneubildung und
- die Abnahme von Flächen für die Frisch- und Kaltluftregulation
zur Folge (Kiehl 2019). Meist sinkt auch die Biodiversität auf den vielfach isoliert liegenden, städtischen Grünflächen. Deshalb könnten begrünte Dächer gerade für Insekten im urbanen Bereich an Bedeutung gewinnen. Doch tun sie das wirklich oder sind die Pflanzen auf ihnen nur eine zufällige Nektarquelle für einige, wenige Arten?
Zudem werden die meisten Begrünungen mit allochthonen Pflanzenmischungen durchgeführt, was die Flächen für Insekten zumeist nur als Nektarquelle attraktiv macht. Vielfach fehlen auch wichtige Strukturelemente, wie Strauchgruppen, Rohbodenflächen, Totholz, Steinhaufen und kleine Wassertümpel. Diese sind aber besonders wichtig, da der Lebensraum Gründach ein extremes Habitat darstellt. Prägend sind beispielsweise große Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede am Tage und im Jahresverlauf, Windchill und eine begrenzte Bodenqualität.
Das Müritzeum in Waren (Müritz) besitzt ein großes begrüntes Dach, welches eine Fläche von ca. 1.810 m2 auf mehreren Ebenen hat. Dieses war ursprünglich mit 78 vornehmlich gebietsfremden Pflanzenarten bepflanzt worden (u.a. Sedum– und Phedimus-Arten). Seit 2007, dem Jahr der Anlage des begrünten Daches, hat sich eine Umstrukturierung der Pflanzenvergesellschaftung in Richtung einheimischer Arten vollzogen. Diese sind vornehmlich aus der Umgebung „eingewandert“.
Im Jahr 2023 wurde erstmals in einem von der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung (NUE) geförderten Projekt die Pflanzen- und Insektenwelt untersucht (Projektlaufzeit: 2023-2025). In diesem arbeiten Mitarbeiter des Müritzeums mit Entomologen des Entomologischen Vereins Mecklenburg e.V. und einem Botaniker der Fachgruppe Botanik „Carl Struck“ zusammen. Die Leitung des Projektes obliegt dem Geschäftsführer des Müritzeums, Dr. Mathias Küster. Partiell werden weitere Spezialisten hinzugezogen. Im ersten Schritt des Projektes sind auf dem begrünten Dach systematisch die Pflanzen und ausgewählte Insektengruppen erfasst worden. Diese Untersuchungen werden noch bis Projektende weitergeführt. Ziel ist es zum einen, den Pflanzenbestand zu erfassen und die Veränderungen seit der Aussaat vor gut 15 Jahren zu beschreiben. Zum anderen werden bei den Insekten die Schmetterlinge (Tag- und Nachtfalter), die Hummeln, Köcherfliegen und Eintagsfliegen, Wanzen und Zikaden sowie die Heuschrecken erhoben. Diese Arten dienen als Bioindikatoren, um den Zustand des Ökosystems auf dem begrünten Dach beschreiben zu können (v.a. die Raumnutzung durch verschiedene Insektenarten) und Vorschläge für dessen Optimierung zu treffen. Neben den Beobachtungen der Arten am Tage wurden automatische Lichtfallen, Köder und Pheromone eingesetzt. Dabei hat sich eine überraschende Vielfalt, teils geschützter Arten ergeben (Thiele et al. 2024). Die Ergebnisse werden monatsweise auf der Homepage des Müritzeums unter der Adresse https://www.mueritzeum.de/projekt-lebensraum-gruenes-dach/ aufgelistet. Zudem wurden und werden öffentliche Lichtfänge durchgeführt, um die Akzeptanz für die Gruppe der Insekten zu erhöhen. Sie erfreuen sich bisher einer großen Beliebtheit bei Bürgern der Stadt und ihren Besuchern. Ein Video zum Lichtfang steht unter der Internet-Adresse https://www.youtube.com/watch?v=HfG87FgqAqg bereit. Wenn das Projekt 2025 ausgelaufen ist, sollen Vorschläge zur Optimierung des Lebensraumpotenzials auf dem begrünten Dach des Müritzeums vorliegen und, nach Prüfung ihrer Umsetzbarkeit, in den Folgejahren auch sukzessive umgesetzt werden.
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Abb. 1: Große Fläche des Gründaches auf der mittleren Ebene des Müritzeums Abb. 2: Ein Zitronenfalter saugt an einer Schnittlauchblüte auf dem Dach Abb. 3: Automatische Lichtfalle auf der unteren Ebene des begrünten Daches. Das Gestell um die Lichtfalle dient ihrer Sicherung bei stärkerem Wind. |
Literatur
Kiehl, K. (2019): Urban-industrielle Ökosysteme. – In: Kollmann J., Kirmer A., Tischew S., Hölzel, N. & Kiehl K. [Hrsg.]: Renaturierungsökologie. Berlin (Springer-Verlag): 389-410.
Thiele, V., Krumbiegel, A., Kalmbach, T. Schadlowski, T. & Küster, M. (2024): Welche Bedeutung haben begrünte Dächer für Insekten des urbanen Raumes? – Erste Ergebnisse einer Fallstudie im Müritzeum Waren (Müritz) in Mecklenburg-Vorpommern. – Virgo 27: 106-113.
UBA (2022): Bebauung und Versieglung. – https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-flaeche/bodenbelastungen/bebauung-versiegelung. (abgerufen am 22.10.202)